Ist Barhuflaufen besser?

von Jennifer Forsberg Meyer, 2006

 

Die Möglichkeit des Barhuflaufens. Sie haben davon gehört, aber sie wissen, daß es sich nicht für Ihr Pferd eignet, weil (wählen Sie einen odere mehrere Punkte):

  • es ist eine Mode.
  • Ihr Pferd hat schlechte Hufe.
  • Sie reiten über harsches Terrain.
  • Sie reiten Turniere.

Sie stimmen zu, daß das Barhuflaufen für Hufe gesund ist, und daß es gut ist, Pferden mindestens einmal pro Jahr eine Beschlagspause zu gönnen damit sich natürliches Hufwachstum wieder etablieren kann. Aber irgendwann müssen die Eisen wieder drauf, richtig? Ständiges Barhuflaufen ist nur für bestimmte Pferde möglich, die schon harte, aber elastische Hufe haben.

Richtig?

Vor vier Monaten hätte ich Ihnen in allen o.g. Dingen zugestimmt. Aber nun bin ich nicht mehr so sicher. Während ich diesen Artikel recherchierte lernte ich erstaunliche Dinge darüber, wie ein Huf funktioniert. Als Resultat dessen beginne ich zu verstehen warum eine wachsende Anzahl von Naturhufexperten sagen, daß Barhuflaufen nicht nur für Pferde mit eh schon hervorragenden Hufen geeignet ist.

Tatsächlich wäre das Gegenteil wahr wenn man die Beweise beurteilt. Das Barhuflaufen (als Resultat einer korrekten Hufbearbeitung in Kombination mit entsprechenden Lebensumständen) könnte eine Möglichkeit sein, schlechte Hufe zu verbessern, sie könnten sogar exzellent werden. Es könnte auch Hufe schaffen, die die Last von Pferd und Reiter über die meisten Arten von Böden tragen könnten. Und (dies ist das faszinierendste) es könnte Gesundheit, Wohlbefinden und Langlebigkeit des Pferdes erhöhen.

Was ich lernte brachte mich dazu, das Barhuflaufen und den dazugehörenden Lebensstil für meine eigenen Pferde in Erwägung zu ziehen, die auf hartem, steinigem Terrain leben und auch dort geritten werden.

In diesem Artikel werde ich erklären was ich so zwingend fand. Ich werde erzählen wie die Barhufbewegung begann, die Gedankengänge einiger ihrer prominentesten Befürworter mitteilen und genau schildern, was nötig ist damit das Barhuflaufen auch funktioniert. Ich werde auch über eine alternative Herangehensweise sprechen, die Naturhufprinzipien auf ein nicht-traditionelles Hufeisen anwendet.

Kurz gesagt, ich werde Ihnen die Werkzeuge geben, die Ihnen ermöglichen zu entscheiden, ob neuzeitliche Hufpflege etwas ist, das Sie für Ihr Pferd auch möchten.

Wie von der Natur vorgesehen
Die Basis für eine natürliche Herangehensweise an das Thema Hufpflege wurde vor über 20 Jahren primär durch die Arbeit zweier Schmiede gelegt. Jaime Jackson und Gene Ovnicek führten unabhängig voneinander Mitte der 80er Jahre Feldstudien an wildlebenden Mustangs durch. Jeder der beiden hoffte herauszufinden was uns Hufe und Gewohnheiten wildlebender Pferde sagen könnten, was dann auf die Hufpflege unserer Hauspferde anwendbar wäre.

Beide waren erstaunt über die Härte und Elastizität der Hufe, die sie sahen. Die Mustanghufe blieben stark und gesund sogar bei schnellem Laufen über harschestes Terrain ohne daß Hufeisen Elastizität oder Bodenkontakt eingeschränkt hätten. Lahmheiten waren selten und rührten normalerweise eher von Unfällen her als von Krankheiten am Huf selber.

Die Mustanghufe wiesen eine starke Zehenschwiele auf. Ovniceks Forschungen zeigten, daß die Hufwand nicht die primäre Last-tragende Struktur am Huf ist, eine Tatsache konträr zu dem, wovon traditionell ausgegangen wird. Statt dessen geschieht die Lastaufnahme durch Sohle, Eckstreben, Strahl und Wand gemeinsam.

"Es schien immer Sinn zu machen, daß die Hufwand die Hauptlast trägt" sagt Ovnicek heute. "Und durch diesen Glauben blieben wir in alten Modi für Beschlag stecken."

In den 20 Jahren seit der ersten Wildpferdeforschung blühte das Interesse an natürlichen Methoden zur Verbesserung der Hufgesundheit von Hauspferden in der ganzen Welt auf. Jackson hat mehrere Bücher zum Thema geschrieben. Er hat auch geholfen, die American Association of Natural Hoof Care Practitioners (Anm. d. Übers.: jetzt Association for the Advancement of Natural Horse Care Practices) zu erschaffen, die Forschung betreibt und Naturhuftrimmer ausbildet.

Ovnicek, der immer noch das Ideal des "Barhuf wenn möglich" vertritt, hat sich daran gemacht ein innovatives Hufeisen zu entwickeln, das die natürlichen Funktionen eines Hufs mit einbezieht. Er hält auch Vorträge und gibt Kurse in der ganzen Welt über das, was er "natürliche Balance" des Pferdehufs nennt.

Immer mehr Veterinäre, Forschungszentren und Universitäten werden aufmerksam auf die Kraft des Naturhufs, die Krankheiten wie Hufrehe und Hufrollensyndrom verhindern und in vielen Fällen sogar heilen kann. Außerdem erzeugt die Mundpropaganda zwischen Pferdebesitzern mehr Bedarf für Informationen über Naturhufpflege und Kontakt zu Hufbearbeitern.

Kurz bevor ich die Arbeit an diesem Artikel begann hörte ich eine begeisterte Aussage über Barhufbearbeitung von meiner Nachbarin, die von den Ergebnissen an ihrem rehekranken Wallach sehr angetan ist. Dies ließ mich überlegen: Wie funktioniert das alles?

Die zugrundeliegende Wissenschaft
Robert Bowker, VMD, PhD ist ein führender Forscher auf dem Gebiet der natürlichen Funktionen des Pferdehufs. Als Neurobiologe, der an der Michigan State University Anatomie lehrt, begann er sich vor 10 oder 12 Jahren für Huffunktion zu interessieren als Studenten ihn fragten wie Nervenblockaden korrekt vorgenommen werden. Die anatomischen Texte, die er las, waren unkorrekt, und so begann er selber, Pferdehufe zu untersuchen.

Seine Forschungen reichten von den Nerven im Huf zu den Blutgefäßen, Knorpeln und Knochen, und in letzter Zeit untersucht er auch den Huf und seine Laminae in gesundem und krankem Zustand. Er ergänzte seine Laborarbeit um Beobachtungen wildlebender Wildpferde.

Seine Erkenntnisse brachten Schwung in die Barhufbewegung. Er entdeckte, daß das Blut in Pferdehufen nicht nur dazu dient, die Gewebe mit Nährstoffen zu versorgen. Es ermöglicht dem unbeschlagenen Huf auch, als ein hydraulisches System zu funktionieren, ähnlich Sportschuhen mit Geleinlagen.

"Das beste Mittel zur Energieverteilung sind sich bewegende Flüssigkeiten," sagte Bowker 1999 als seine Forschung zum ersten Mal publiziert wurde. "Deshalb sind in einige der marktführenden Laufschuhe Flüssigkeit in die Sohlen eingearbeitet."

Bowker entdeckte jedoch auch, daß das Blut nicht unter Belastung aus dem Huf gedrückt wird, während das Strahlpolster - das dicke Polster elastischen Fasergewebes im Trachtenbereich - die meiste Erschütterung absorbiert, wie immer angenommen wurde. Vielmehr ist es so, daß bei Ausdehnung des Hufs bei Auftreffen auf dem Boden ein Vakuum erzeugt wird, das das Blut aus dem Bereich unter dem Hufbein in den hinteren Hufbereich saugt.

"Wenn das Blut durch die Mikrogefäße in die Hufknorpel wandert verteilt es die Energie, die durch das Auftreffen des Hufs auf den Boden erzeugt wird," erklärte er zu dieser Zeit." Wir müssen die Hufe so bearbeiten, daß ein größerer Teil des hinteren Hufbereichs - inclusive Strahl - die zuerst auftreffenden Kräfte und Gewicht aufnimmt."

Das Problem ist natürlich, daß traditionelle Hufeisen nicht nur Ausdehnung und Zusammenziehen des Hufs limitieren sondern auch Strahl und Trachten vom Untergrund abheben. Bowker sagt heute, daß der Unterschied zwischen Beschlag und Barhuflaufen ist wie der Unterschied, bei der Arbeit hochhackige Schuhe oder Sneakers zu tragen.

"Durch Hufeisen wird die stoßdämpfende Oberfläche reduziert," erklärt der Forscher, dessen Frau auch ein nun glücklich barhuf laufendes Pferd besitzt. "Wenn also ein Barhuf, der nach einem Sprung landet, eine Belastung von sagen wir 1000 Pounds pro Square Foot erfährt dann werden daraus mit einem traditionellen Eisenbeschlag 2000 Pounds pro Square Foot."

Die Konsequenzen dessen sind bedeutend. Ihrer natürlichen Funktionen beraubt werden wichtige Strukturen im Huf geschwächt, weil sie unbenutzt bleiben, was sie anfällig für Hufrollensyndrom und andere Lahmheiten macht. Und durch limitierte Stoßdämpfung wandert Erschütterung das Pferdebein hinauf und überbelastet Knochen und Gelenke.

Letzteres Phenomän, nämlich wie sich das Tragen von Eisenbeschlag auf den restlichen Pferdekörper auswirkt, erregte die Aufmerksamkeit eines anderen Barhufbefürworters, des Schmieds Pete Ramey.

Barhuf in Action
Inzwischen ein Lehrer und Kursleiter für den AANHCP (Anm. d. Übers.: Ramey hat inzwischen die American Hoof Association gegründet) und einer der erfahrendsten Naturhuftrimmer der Welt begann Ramey 1998 über potentielle Vorteile des Barhuflaufens zu lernen. Begeistert befreite er etwa 20 Pferde eines Pferdeverleihs, die er betreute, von ihren Hufeisen, und was er sah "haute ihn um".

"Es handelte sich um alte Wallache, viele von ihnen über 30 Jahre alt, die durchschnittlich 20 Meilen pro Tag über steiniges Gelände liefen," erinnert er sich. "Als ihre Hufe die Umstellung hinter sich hatten funktionierten sie auf diesem Terrain wunderbar. Was mich aber wirklich faszinierte war wie sich die Ausdauer der Wallache erhöhte. Ich hatte nach und nach weniger Pferde auf der Verletztenliste."

Ramey verweist auf die Erkenntnisse von Bowkers Forschungen als Erklärung, was vor sich gegangen war.

"Weil der Barhuf eine solch effektive Blutpumpe ist muß das Herz des Pferdes nicht so hart arbeiten. Distanzreiter wissen dies schon eine ganze Weile - darum benutzten viele von ihnen Hufschuhe statt Eisen: Die Pferde erholen sich schneller."

Außerdem gibt es auch diese hervorragende Polsterung des Barhufs, die die Gelenke, Bänder und and andere Gewebe des Pferdes schont.

"Es ist wie der Unterschied zwischen einem Stahlrad und einem Gummireifen," bemerkt er. "Die Leute nehmen an daß Gelenk-oder Rückenprobleme für alternde Pferde normal seien, aber viele dieser Beschwerden könnten durch die erhöhten Belastungen durch Eisenbeschlag verursacht sein."

Ramey spricht sich sehr gegen die Ansicht aus, Hufeisen seien notwendig weil wir dem modernen Pferd "die Hufe weggezüchtet" haben.

"Es stimmt einfach nicht. Solange keine Knochenkrankheit vorliegt kann jedes Pferd einen gesunden Huf hervorbringen, wenn man ihm Zeit gibt und die Hufe angemessen bearbeitet."

Obwohl die exakten Spezifikationen einer solchen Bearbeitung sich noch entwickeln sind sich die meisten Naturhufpfleger einig, daß als Resultat Sohle, Eckstreben, Strahl und Wände in die Lage versetzt werden müssen, gleichmäßig Last aufzunehmen. Nur sich ablösendes Material sollte von Sohle und Strahl entfernt und dadurch eine dicke Schwielenbildung über diesen Strukturen ermöglicht werden. Der äußere Teil der Hufwand sollte so abgeschrägt werden, daß Verbiegung und Zusammenhangstrennung der Laminae minimiert werden. Manchmal "Mustang Roll" genannt imitiert diese Schräge das Abriebmuster an Wildpferdehufen. (Beachten Sie: Die Experten, mit denen ich bei der Recherche für diesen Artikel gesprochen hatte, waren sich einig darüber, daß der von der deutschen Tierärztin Hiltrud Strasser entwickelte Strasser-Trim invasiv ist und vermieden werden sollte.)

Um die Umstellung von Beschlag auf Barhuf zu erleichtern empfehlen Ramey und andere Trimmer Hufschuhe und helfen ihren Kunden, diese auszusuchen und anzupassen. Wegen des steigenden Bedarfs an Hufschuhen vonseiten der Besitzer barhufiger Pferde erscheint nun eine reiche Palette an Hufschuhmodellen auf dem Markt.

"Hufschuhe schützen den Huf während dieser sich umbaut und widerstandsfähiger wird" sagt Ramey. "Sie sind der "Beschlag" des 21. Jahrhunderts, der den Huf genauso schützt wie ein Eisenbschlag der 'alten Schule', nur daß er die Hufgesundheit unterstützt anstatt sie zu vermindern. Wenn die Hufe nach und nach ihre natürliche Beweglichkeit entwickeln sind die Schuhe dann überwiegend nicht mehr vonnöten."

Natürlicher Huf, natürliches Pferd
Die meisten Naturhuftrimmer sind sich einig, daß ein Barhuftrim am besten bei Pferden funktioniert, denen ein natürlicher Lebensstil ermöglicht wird, was soviel freie Bewegung wie möglich beinhaltet. Idealerweise sollte das Pferd auf denselben Böden leben auf denen es auch geritten wird. Wenn Sie beispielsweise viel auf harschem Terrain unterwegs sind sollte ihr Pferd sich auch in seiner Freizeit auf hartem, steinigem Boden bewegen.

"Darauf arbeiten AANHCP und die Barhufbewegung jetzt generell hin" sagt Mark Jeldness, ein Kursleiter für den Verein. "Wir möchten Besitzern dabei helfen, die richtige Umgebung für ihre Pferde zu schaffen und sie zu soviel freier Bewegung darin wie möglich zu animieren."

Für Besitzer, die ihren Pferden nicht genug Auslauf bieten können, ist es essentiell, daß sie sie während der Umstellung sehr gut unter dem Sattel gymnastizieren. Hufschuhe ermöglichen dies ebenso wie regelmäßige Hufbearbeitung (alle 4-6 Wochen), die den Huf anregen, sich korrekt umzuformen.

Da diese Herangehensweise an Hufpflege generell in die natürlich-ist -besser Bewegung paßt ist es nicht überraschend, daß Natural Horsemanship Trainer die Option Barhuf eher akzeptieren als andere Trainer. John Lyons läßt seine Pferde seit 10 Jahren nicht mehr beschlagen, aber er glaubt, daß Besitzer gesunden Menschverstand walten lassen sollten bei der Überlegung, was sie mit ihren eigenen Pferden tun wollen.

"Pferde brauchen keinen Beschlag nur deswegen, weil sie geritten werden, und Beschlag wegzulassen ist ideal dafür, einen gesünderen, stärkeren Huf zu schaffen" meint er. "Ich streue Kies auf die Weiden, auf denen meine Pferde laufen, was ihre Hufe abhärtet. Aber man muß auch gesunden Menschenverstand benutzen. Wenn ich immer in Sandarenen ropen würde würde ich auch Beschlag nutzen."

Clinton Anderson hörte vor anderthalb Jahren auf, seine Pferde beschlagen zu lassen, und benutzt nur Eisen an den Hinterhufen seiner Reiningpferde. "Man braucht diese Eisen zum sliden," sagt er. "Aber ansonsten ist ein Beschlag nicht notwendig, und die Hufbearbeitung muß stimmen. Hufe verändern sich nicht über Nacht - ich habe herausgefunden, daß die Umstellung etwa 6-12 Monate dauert - aber danach sind sie hart und stark und wiederstandsfähig genug für fast jede Art der Reiterei."

Natürlich ist damit nicht jeder einverstanden, und es gibt eine Vielzahl von traditionellen Schmieden und altgedienten Pferdeleuten, die Ihnen sagen werden, daß diese "Barhufgeschichte" schlicht und einfach irrig ist. Aber eine unbestreitbare Stärke der Naturhufbewegung ist, daß die Priorität auf der Maximierung des Gesundheitspotenzials eines jeden Hufs liegt.

"Der Hauptunterschied zwischen Hufpflege durch einen traditionellen Schmied und der Naturhufpflege ist, daß wir uns sehr darauf konzentrieren wie wir Pferden dabei helfen können, gute Hufe zu entwickeln," sagt Ramey. "Ein Tierarzt, mit dem ich zusammenarbeite, erzählte mir kürzlich, daß er früher ein Pferd mit schlechten Hufen ansah und sagte: 'Wow - dieses Pferd hat schlimme Hufe.' Jetzt sagt er: 'Wow - dieses Pferd könnte bessere Hufe haben wenn wir dieses und jenes tun.' Das ist ein deutlicher Unterschied."

Ich selber bin sehr beeindruckt von der Wissenschaft hinter dem Ganzen und den Fallgeschichten und gebe dem Barhuflaufen eine Chance. Meine Pferde wurden im vergangenen Dezember von einem AANHCP-zertifizierten Hufbearbeiter betrimmt und verbringen mehrere Monate draußen auf unterschiedlichem Terrain. Wenn meine Tochter und ich reiten gehen benutzen wir wenn nötig Hufschuhe bis die Hufe die Umstellungsphase geschafft haben.

Am Ende der Umstellungsphase werden unsere Pferde schlimmstenfalls viel gesündere Hufe habe, auf die man Hufeisen nageln könnte. Und wenn sie ohne Eisen glücklich sind umso besser.