Die Magie der Mustang Roll

Von James & Yvonne Welz

Während der letzten Jahre ist wohl keine andere Bearbeitungstechnik so gleichbedeutend mit der Barhufbearbeitung (Anm. d. Übers.: bezogen auf die USA) geworden wie die "Mustang Roll". Schließlich machen wir uns nur beim Barhufpferd darüber Gedanken, wie wir die unteren Kanten der Hufwände gestalten wollen! Trotz der weit verbreiteten Popularität der Mustang Roll und der Vielfältigkeit ihrer Gestaltung wird immer noch oft übersehen, daß sie ein hochentwickeltes "Werkzeug" dafür ist, den Pferdehuf in eine gesündere Form zu überführen.

neel1-web.jpgGeschichte der Mustang Roll

Jaime Jackson, dem Schmied und Autor, der die Barhufrevolution in Nordamerika startete, verdanken wir den Begriff "Mustang Roll". In seinem Buch The Natural Horse beschreibt er die abgerundeten Kanten an Wildpferdehufen, die er Wandschräge nannte: "Wenn wir an eine Schräge denken kommt uns die abgeschrägte Kante eines Meißels in den Sinn, und das ist nicht genau das, was ich in Litchfield und im Outback sah. Abgerundet ist eine passendere Beschreibung, nicht unbedingt die schräge Kante, die wir bei einem Meißel sehen."1

Im selben Buch schreibt Jackson dann Bearbeitungsanleitungen, nach denen man diese abgerundete Kante herstellen kann: "In der Endphase der Bearbeitung am unbeschlagenen Huf muß die gesamte tragende Oberfläche der äußeren Hufwand berundet werden. Beginnen Sie mit der groben Seite der Raspel und führen Sie sie dabei abwärts zum Boden, d.h. schräg gegen die vorstehende Hufwandkante. Als nächstes benutzen Sie die feine Seite der Raspel dazu, die entstandene rauhe Oberfläche mit dem losen Horn zu glätten."2 Er empfielt auch, in einem nachfolgenden Schritt den Huf nochmals mit feinem Sandpapier zu glätten.

Die Mustang Roll erhält endlich ihren offiziellen Titel in Jacksons Originalausgabe von 1999, Horse Owner's Guide to Natural Hoof Care (Anleitung zur Naturhufpflege für Pferdebesitzer). Dieses Buch, das jetzt in einer komplett überarbeiteten Ausgabe erhältlich ist, betont klar die Bedeutung der Mustang Roll: "... die Natur liefert die von mir sogenannte Mustang Roll - ein Spitzname zu Ehren der Wildpferde: eine einzigartige Kurve oder Radius der äußeren Hufwand... Die Mustang Roll ist natürlich ein Standardelement des Naturhufpflegeprogramms. Sie ist ein extrem wichtiger Teil des Bearbeitungsprozesses da sie Ausbrechen verhindert, das Abrollen erleichtert, dem Mechanismus hilft, wesentlich für die Hufbalance ist und immens beim Ausheilen von Hornspalten hilft."3

Jackson erklärt weiter die Definition der Mustang Roll: "An der Stelle der Hufwand, die Bodenkontakt hat, beschreibt ihr äußerer Teil eine charakteristische Kurve mit weichem Radius von etwa einem halben Inch; dies ist die Mustang Roll, und sie ist ein wichtiges Zeichen von sowohl natürlichem Abrieb als auch natürlichem Trimmen."4 Jackson empfielt, die Mustang Rolle an der gesamten Länge der Hufwand anzubringen, die Trachtenendkanten eingeschlossen. Er warnt aber davor, dies zu übertreiben. So kann etwa exzessives Raspeln dazu führen, daß die Zehe am Ende "bullnasig" aussieht und die Zehenwand zu dünn und geschwächt wird.

hh-glass-article-diagram.jpgWeicher Untergrund und die Mustang Roll

Die meisten wilden Mustangs der USA leben auf relativ harten, trockenen und abriebintensiven Böden. In den meisten Staaten des Festlandes der USA herrschen klimatische Konditionen, unter denen zumindest für einen Teil des Jahres harte Böden entstehen können. Aber was ist mit den Wildpferden, die auf weichen Böden leben, haben diese auch eine Mustang Roll an ihren Hufen? Oder könnten vielleicht, was viel wichtiger ist, Pferde in Gefangenschaft, die auf weichen Böden leben, von der Mustang Roll profitieren?

Eine Frage zu Beginn könnte sein was exakt die Definition weicher Böden wäre. Was sind harte Böden? Es kann ein wenig verwirrend sein, solche Begriffe für Vergleiche zu benutzen. Was der Eine als harten Boden bezeichnet könnte für jemand anderen ein weicher Boden sein! Wir denken jedoch daß jeder mit den Extremen einverstanden wäre: Es handelt sich um weichen Boden wenn der Pferdehuf in den Boden einsinkt (normalerweise feuchtes Klima oder sehr tiefe/lose Erde). Bei hartem Boden sinkt der Pferdehuf nicht ein (harte, komprimierte Erde oder andere glatte Oberflächen).

Haben Pferde, die auf weichen Böden leben, abgerundete Kanten an ihren Hufen? Bilder solcher Hufe scheinen rar zu sein, aber die, die wir gesehen haben, wie die südafrikanischen Botriver Pferde, die französischen Camargue Pferde und die Atlantic Barrier Island Ponies in den USA zeigen scharfkantige Hufe, deren verbogene Wände ausbrechen, ohne glatte oder abgerundete Kanten.

Dr. Hiltrud Strasser schreibt: "Für gute Haftung auf weichen Böden muß die Zehenwand scharfkantig sein (nicht abgerundet). Auf steinigen Böden rundet sich die Hufwand aufgund der Abriebeigenschaften des Terrains von selbst ab; eine scharfkantige Hufwand hätte auf solchen Böden keine Vorteile für die Bodenhaftung. Einen Huf mit scharfen Kanten zu versehen könnte auf steinigen Böden zu Ausbrechen führen, und die Kanten würden sich mit der Zeit selbst berunden. Andererseits führt das Berunden von Hufen, die auf weichen Böden laufen, zu Trachtenzwang wenn die Berundung nicht nur an der Zehe sondern auch an Seitenwänden und Trachten vorgenommen wird." 5 Sie schlägt vor, daß eine scharfkantige Gestaltung der Hufwand für weiche Böden und Hochleistung notwendig ist um gute Bodenhaftung zu erreichen.

Die Hufwände abzurunden wird jedoch als hilfreich angesehen wenn es um die Heilung von Problemen der weißen Linie geht. Strasser schreibt: "... um dies zu beschleunigen und weitere Trennung zu verhindern (da die beschädigte Blättchenschicht und Lederhaut Zeit zur Heilung braucht) kann die Zehen- und Seitenwand einwärts um 45 Grad abgerundet werden. Jedoch muß beachtet werden, daß Trachtenzwang bei einem Pferd verursacht wird, das mit seinen Hufen in weichem Boden einsinkt und bei dem die Berundung über die breiteste Stelle des Hufs hinausgeht. Die Notwendigkeit, der Trennung der weißen Linie entgegenzuwirken, muß abgewogen werden gegen die mögliche Störung des Hufmechanismus auf weichen Böden."6 Die vorgeschlagene Schräge ist eine 45 Grad einwärts gerichtete Schräge (die helfen soll, die Wand in Richtung Sohle zu schieben), die auf den vorderen Teil des Huf beschränkt ist.

Dies führt uns zu der Frage: Wäre das Anbringen einer Mustang Roll nützlich für unsere Hauspferde, auch wenn sie auf weichen Böden leben? Viele Trimmer berichten von positiven Resultaten auf allen Arten von Böden. Beachten Sie die möglichen negativen Nebenwirkungen: Verlust der Bodenhaftung oder jede Tendenz in Richtung Trachtenzwang - dann würden wir sagen wenden Sie an was funktioniert. Das effektive Anbringen einer Mustang Roll scheint eine bessere Balance in die Hufkapsel zu bringen, was zu einer Weitung der Trachten führt (also den Zwang reduziert). Auch führt sie zu vermehrter Sohlenwölbung und Zehenhöhe und Eliminierung von Zusammenhangstrennung der weißen Linie.

neel1-web.jpgDie Evolution der Mustang Roll

Trotz möglicher Probleme auf weichen Böden haben viele Trimmer die Mustang Roll für extrem wertvoll befunden. Marjorie Smith schreibt in ihrer Erklärung des Wildpferdetrims: "Beenden Sie die Arbeit am Huf mit einer abgerundeten Schräge (Mustang Roll) bis zur water line (unpigmentierte innere Schicht der Hufwand). Die Gründe dafür sind, dem Huf ein schnelles Abrollen zu ermöglichen, Verbiegungen (Trennung der weißen Linie) zu verhindern und die Hebelwirkungen einer langen Zehe zu entfernen (die Hebelwirkungen einer langen Zehe würde unbehandelt zu Trachtenzwang führen). Eine Verbiegung oder lange Zehe kann zurückgesetzt und danach bis zur Sohlenkante abgerundet werden, was einen zusätzlichen Hebeleffekt einer Verbiegung reduzieren würde."6

Tomas Teskey, DVM, schreibt: "Studien von Pferden, deren Hufe sich selbst trimmen, zeigen sehr abgerundete Hufkanten. Diese Art des Abriebs zu kopieren indem man die Hufkanten mit der Raspel von Trachte zu Trachte berundet ist angemessen und erhöht die Leistungsfähigkeit. Scharfe Kanten, die ausbrechen, erzeugen Fühligkeit und reduzieren die Laufbereitschaft des Pferdes."7

Der Hufspezialist KC La Pierre stellt die Mustang Roll als den letzten Schritt seines Bearbeitungssystems vor und benutzt einen speziellen Schleifblock um eine wirklich glatte Kante zu erhalten. In seinem Buch The Chosen Road schreibt er über die Mustang Roll, sich beziehend auf Jaime Jackson: "Jeder liebt diesen Begriff, er ist sehr nützlich."8

In seinem Buch aus dm Jahre 2003, Making Natural Hoof Care Work for You, empfielt der Schmied und Barhufförderer Pete Ramey, die gesamte Hufwand mit einer Mustang Roll in einem 3/8 Inch Radius zu versehen. "Am leichtesten ist es, den Radius mit der Raspel von unten zu beginnen und dann von oben zu beenden. Dies läßt den Huf auch für das Auge schön aussehen...".9

In Updates zu seinem Buch vom Juli 2005 schlägt Ramey eine andere Vorgehensweise vor: "Mustang Roll? Ich habe herausgefunden, daß es effektiver ist eine ausgeprägte Schräge an der äußeren Hufwand anzubringen als eine Rundung. Achten Sie darauf, die Wände 1/16 Inch länger als das Sohlenniveau zu lassen, es sei denn das Pferd hat sie sich auf gleiche Höhe abgelaufen. Die Schräge sollte ca. 45 Grad betragen und sich von der Zehe aus zu beiden Seiten bis zur breitesten Stelle des Hufs erstrecken. Der größte Teil der Breite der Hufwand sollte inbegriffen sein. Schrägen Sie die Wände hinter der breitesten Stelle des Hufs nicht an, sondern berunden Sie dort leicht die scharfen Kanten."10

Für diejenigen, die möglicherweise gegen das Berunden oder Abschrägen der Wände deshalb argumentieren, weil dies die Wände passiv machen würde, bietet Pete eine gute Erklärung an: "Auf den ersten Blick sagen viele Schmiede 'Sie machen die Wände passiv.' Wenn die Hufe geschlossen auf Beton stehen, dann ja, aber auf unterschiedlichen Böden und in Bewegung sind die Wände nicht passiv. Sie würden nicht behaupten die Wände seien passiv wenn Ihr Finger zwischen ihnen und Steinen auf einer Straße eingeklemmt wären! Wenn sich ein Pferd mit seinen Zehen beim Laufen vorwärtsdrückt sind die Wände perfekt darauf vorbereitet. Dies war immer Mutter Naturs Plan, und es funktioniert."10

"Es funktioniert" ist der Hauptgrund, daß die Mustang Roll so populär geworden ist. Ob in Form einer leichten Schräge, Berundung der Zehe oder komplette Berundung der ganzen Hufwand: Die Mustang Rolle ist eine wichtige Technik, die es wert ist entwickelt zu werden, weil wir versuchen, für unsere Hauspferde die bestmögliche Hufgesundheit zu schaffen.

 

1 The Natural Horse by Jaime Jackson, Second Edition 1997, Star Ridge Publishing, pages 74-75.
2 The Natural Horse by Jaime Jackson, Second Edition 1997, Star Ridge Publishing, pages 124-125.
3 Horse Owners Guide to Natural Hoof Care by Jaime Jackson, Revised Edition 2002, Star Ridge Publishing, pages 50-51.
4 Horse Owners Guide to Natural Hoof Care by Jaime Jackson, Revised Edition 2002, Star Ridge Publishing, page 81.
5 The Hoofcare Specialist's Handbook: Hoof Orthopedics and Holistic Lameness Rehabilitation by Hiltrud Strasser DVM & Sabine Kells, Published 2000 by Sabine Kells, page V-13.
5 The Hoofcare Specialist's Handbook: Hoof Orthopedics and Holistic Lameness Rehabilitation by Hiltrud Strasser DVM & Sabine Kells, Published 2000 by Sabine Kells, page VII-151.
6 www.barefoothorse.com by Marjorie Smith, "Strategy" page.
7 Look at those Hooves! by Dr. Tomas G. Teskey, DVM, 2005, EasyCare, Inc., page 24.
8 The Chosen Road, Achieving High Performance through applied Equine Podiatry by KC La Pierre, RJF, MEP, 2004, The Naked Greyhound Press, page 103.
9 Making Natural Hoof Care Work for You by Pete Ramey, 2003, Star Ridge Publishing, page 72.
10 www.hoofrehab.com by Pete Ramey, "Making Natural Hoof Care Work" Updates.