Es ist Zeit, das Thema Hufeisen zu überdenken.


Wenn wir Hufeisen abnehmen können wir bei nahezu allen Pferden beträchtliche Schäden im Inneren des Hufs finden. Etwa ein Jahr spezieller Hufpflege ist notwendig um eine gute Hufsituation wiederherzustellen; wir nennen diese Zeit der Heilung das "Übergangs/Umstellungsjahr". Gelegentlich gibt es Pferde, die keine Übergangsschmerzen haben, diese waren generell nur für wenige Monate beschlagen.

Hufeisen scheinen im Mittelalter in Europa erfunden worden zu sein, um die Hufe davor zu bewahren, auseinanderzufallen, als Ritterpferde monatelang in verschmutzen Anbindeständern leben mußten wenn die Burg belagert war. Zu dieser Zeit existierten noch keine Studien über Anatomie und Physiologie, also gab es kein Möglichkeit, die Auswirkungen von Hufeisen auf Hufe und Beine zu studieren.

Heutzutage sind Pferde teure Leistungstiere und geschätzte Gefährten und werden nicht in solch unsauberen Umständen gehalten, die ihre Füße verfaulen lassen. Ein langes Leben und lebenslange Gesundheit sind den meisten Pferdebesitzern wichtig. Deswegen ist es an der Zeit, den Gebrauch von Hufeisen zu überdenken.

Es gibt mehr als ein Duzend Wege, Füße, Beine und das Kreislaufsystem des Pferdes zu schädigen (siehe das Buch Ein Pferdeleben lang gesund" von Dr. Hiltrud Strasser). Der größte Schaden entsteht durch den Verlust der Blutzirkulation im Huf und den Verlust der Stoßdämpfung.

Zirkulation: Wenn das Pferd den Huf belastet dehnt sich die kegelförmige Form des Hufes im unteren Bereich aus; hebt das Pferd den Huf vom Boden kehrt sie zu einer engeren, "geschlossenen" Form zurück. Dieses Spreizen und Zusammenziehen funktioniert wie eine Pumpe, die mit jedem Schritt Blut in den Huf zieht. Eisen werden auf den Huf genagelt wenn dieser sich in der "geschlossenen", unbelasteten Situation befindet. Mit einem aufgenagelten Eisen kann der Huf sich nicht dehnen, also arbeitet die Pumpe nicht. Es gelangt nicht genug Blut und damit Nährstoffe in den Huf um gesundes starkes Gewebe zu produzieren und zu erhalten. Daher ist die Qualität von Sohle, Wand und Strahl meist schlecht. Verletzungen heilen langsam, der Zustand der weißen Linie verschlechtert sich mit der Zeit, sie wird auseinandergezogen.

Einer groben Schätzung zufolge pumpt ein mittelgroßes barhufiges Pferd während 20 strides (stride = ein kompletter Ablauf der Fußfolge in der jeweiligen Gangart) eine Gallone (vier Liter) Blut durch alle vier Füße. Falls jemand genauere Informationen hat werde ich sie hier nennen.

Stoßdämpfung: Im robusten aber auch elastischen Barhuf kann die Dehnung des belasteten Hufes bis zu 2000 lbs. (ca. 900 kg) Erschütterung absorbieren. Aber das Eisen erlaubt dem Huf keine Flexibilität und reduziert die Stoßdämpfung um 75%. Statt dessen setzt sich die Erschütterung in die Gelenke und Sehnen fort, die ihrerseits nicht dazu geschaffen sind, ein solches Maß an Erschütterung zu verarbeiten.

Eine dritte Art des Schadens ist, daß Eisen den Huf verengen (Zwanghuf). Der Huf wächst natürlicherweise in einer Kegelform; der Umfang des Kronrandes ist geringer als der des Tragrandes bzw. des Hufteils, der Bodenkontakt hat. Das Eisen allerdings hält den Huf in der Form, die er am Tag des Beschlags hatte, und der beschlagene Huf verändert seine Form mit der Zeit von Kegel- nach Zylinderförmig. Die Trachten werden gezwungen, sich nach innen einzurollen, was unkorrekte mechanische Belastung auf die Hufwand ausübt. Dies kann sich in Wandspalten, Schaden an der weißen Linie und Schmerzen im Trachtenbereich äußern.

Ein überlang gewachsener, aber unbeschlagener Huf, der zeigt, wie ein Huf während des Wachstums nach unten weiter wird.
Ein überlang gewachsener, aber vormals beschlagener Huf, der zeigt, wie das Eisen das Hufwachstum in Zylinderform und "untergeschobene Trachten" verursacht hat.

Pferdehufe wachsen bis zu einem Alter von 5 Jahren, wenn Pferde ihr Erwachsenengewicht erreicht haben. Wenn ein junges Pferd beschlagen wird kann das Hufbein nicht breiter wachsen, und der Huf bleibt für das Pferd relativ klein und oft verengt (Zwanghuf).

Aus diesen und vielen anderen Gründen hat das Barhufpferd zahlreiche Vorteile im Verhältnis zu beschlagenen Pferden, sowohl in Bezug auf die Gesundheit als auch auf die Leistung.

Marco Polo notierte auf seiner Reise nach China:
"Afghanistan produziert viele exzellente Pferde, die außergewöhnlich für ihre Schnelligkeit sind. Sie sind nicht beschlagen, obwohl sie in bergigem Gelände eingesetzt werden, und sie gehen in hohem Tempo sogar steile Abhänge hinab, wo beschlagene Pferd dies zu tun nicht in der Lage wären oder sich weigern würden."


Kann mein Pferd barhuf laufen?

Viele Leute fragen mich ob ihr Pferd "barhuf laufen kann". Hier sind einige Überlegungen, die dabei helfen Ihre eigene Entscheidung zu fällen.

1. Da Pferde als Spezies über Millionen von Jahren ohne Eisen erfolgreich waren glaube ich, daß jedes beschlagene Pferd es bevorzugen würde, barfuß zu gehen und den Untergrund zu fühlen, gäbe es einen Weg es zu fragen. Ein Pferd ist auf seine Füße angewiesen um Jägern zu entkommen, und es fühlt sich unsicher wenn es den Untergrund nicht fühlen kann.

Sehr alte Pferde sind zum Barhuf-laufen erfolgreich zurückgekehrt. Allerdings kannte ich ein Pferd mit sehr schlechten Füßen, das nicht lange genug gelebt hätte um die Übergangszeit zu einem komfortableren Zustand zu überstehen, so entschied der Besitzer das Pferd beschlagen zu belassen.

2. Wenn man darüber nachdenkt könnten Pferde durchaus barfuß laufen, einzig der Ehrgeiz des Reiters/Besitzers läßt dies oft nicht zu. Es gibt Situationen, in denen das Pferd langfristig barhuf besser dran wäre, aber der Reiter hat einen vollen Terminkalender mit Turnieren u.a., der keine "Auszeiten" erlaubt für den Fall, daß die Umstellung schwierig werden könnte. Beispiel: Teenager, die auf Turnieren mit Alterslimit reiten.

Wenn ein Pferd lahmt kann ein Turnierplan nicht mehr berücksichtigt werden, und die Barhufmethode wäre der schnellste Weg zur vollständigen Gesundheit.

Hufschuhe, in Kombination mit der "white line strategy" Bearbeitung, ermöglichen den meisten Pferden eine problemlose Umstellung.

Es gibt Situationen, in denen Hufeisen dazu benutzt werden, die Fähigkeiten des Pferdes zu erweitern, über das hinausgehend, womit die Natur das Pferd ausgestattet hat. Ein Beispiel dafür ist wettbewerbsmäßiges Springen, wobei das Pferd Eisen mit Stollen tragen muß, um mit hoher Geschwindigkeit enge Kurven zu bewältigen. Die Stollen geben dem Pferd Halt, aber dieser extreme Halt in einem engen Parcours überanstrengt die Bänder und Gelenke in den Beinen; niemand erwartet, daß solche Pferde bis in ein Alter von 15 oder sogar 35 Jahren gesund und reitbar sind.

(Der Swiss Horse Boot wurde für Wettbewerbe entwickelt und kann mit Stollen ausgerüstet werden. Er erlaubt dem Huf an sich, gesund zu bleiben, Bänder- und Gelenküberlastung tritt dennoch auf.)

3. Manche Pferde arbeiten in Situationen, die Hufschutz erforderlich machen. Amish Kutschpferde werden täglich auf Asphalt 20 Meilen gefahren - auf der abriebintensiven Overfläche kürzen sich die Hufe schneller als sie nachwachsen können. Man könnte Hufschuhe verwenden um die Hufe zu schützen; dies wäre ein Situation, in der alle vier Hufe Hufschuhe benötigen würden. Ein Vorteil der Schuhe ist, daß sie individuell einsetzbar sind - etwa drei Tage pro Woche, was den Hufen für den Rest der Woche erlauben würde, sich selbst abzulaufen. Die Schuhe würden dadurch auch länger halten.

4. Manche Pferde haben angeblich schlechte oder schwache Füße, die ein Barhuflaufen nicht erlauben würden. Pferde bekommen aber erst schlechte und schwache Füße durch die reduzierte Blutzirkulation im beschlagenen Huf oder dadurch, daß schon Fohlen nicht genug Bewegung auf festem Untergrund bekommen.

Mit der Hilfe von Hufschuhen, die in der Übergangszeit verwendet werden, zeigen uns diese Pferde, daß neue, robuste Hufe nachwachsen, wie bei jedem anderen Barhuf - Pferd. Wenn man sich einen "schlechten" Huf einige Monate, nachdem die Eisen entfernt wurden, anschaut, sieht man tatsächlich eine Linie, an der die Hufwand oberhalb dicker ist als die alte Wand unterhalb der Linie.

5. Wir sahen einige Pferde, die in einem sehr feuchten Jahr (2003-4) im Nordosten der USA eine dünne weiche Sohle entwickelten - dem Daumendruck nachgebend. Ihre Hufe waren sehr empfindlich, und es bestand sogar die Gefahr, daß die Hufbeine brechen würden, sollten die Pferdehufe auf einem scharfkantigen Stein landen. Die beiden Pferde, von denen ich hörte, liefen sofort problemlos, nachdem ihnen Eisen und Einlagen aufgenagelt wurden. Nachdem sie einige Monate beschlagen waren wurden sie wieder erfolgreich auf Barhuf umgestellt, nachdem das Wetter trockener wurde.

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