Mitte der 70er Jahre war ich ein kleines Mädel von sechs Jahren, das unbedingt reiten wollte. Ich bekam zusammen mit meinem ein Jahr jüngeren Bruder, wie ich begeisterter "Bonanza" Fan, Reitunterricht bei einer engagierten Bauerstochter im Nachbarort. Ein Jahr früher hatte ich begonnen, Geige zu spielen; beide Eltern sind Berufsmusiker, und ich wählte das Instrument, das auch mein Vater spielt. Wir ritten auf drei Welsh-Ponies und einer Hannoveraner Stute. Im Winter konnten wir nicht reiten, da uns als Reitplatz nur eine Wiese zur Verfügung stand, und daher bimsten wir alles an Theorie rund ums Pferd. Die Reitlehrerin war streng und verlangte von uns, daß wir uns durchbissen: wir machten kleine Reitprüfungen und am Ende des Winters einen Theorietest. Sicherlich hatte das alles wenig mit einfühlsamem Umgang mit Pferden zu tun, aber das Gelernte weiß ich bis heute, da ich mich sehr eifrig dahinterklemmte.
Nach zwei Jahren zog die Reitlehrerin weg, und ich wechselte zur Reitschule im nächsten Ort. Dort ritt ich einige Jahre in der Abteilung auf Warmblutpferden, die seinerzeit noch in Ständern gehalten wurden und praktisch nie auf die Weide kamen. Nur die Einstellpferde hatten Boxen, die aber viel zu klein und oft dunkel waren. Die Pferde wurden für die Herrschaften "aufbewahrt", die dann gelegentlich für eine Stunde Reiten vorbeikamen.
Nach wiederum einigen Jahren machte ich in dem besagten Reitstall als Teenager mein bronzenes Jugendreitabzeichen. Das war ein Highlight, wurden wir doch in der Zeit vorher recht gut gefördert, hatten z.B. Springstunden in kleinen Gruppen, die viel Spaß machten. Ich durfte in der Dressurprüfung mein Lieblingspferd reiten, und für die Springprüfung bekam ich eine Rakete, die nach dem Start nur noch in die richtige Richtung gelenkt werden mußte.
Es folgte eine lange Zeit der "Abstinenz". Ich machte Abitur, studierte Musik (Hauptfach Violine) und bekam 1993 eine Stelle in einem Orchester im Ruhrgebiet. Im Sommer 1998 machte ich einen Umsteigerkurs auf Westernreiten im Westernreitzentrum Lauterbach. Im Folgejahr nahm ich dann Unterricht in der Nähe meines Wohnortes bei Enja Libor und war seit diesem Zeitpunkt also Westernreiter. Als sie sich selbständig machte hatte ich über längere Zeit die Möglichkeit, pro Tag mehrere Pferde zu reiten; ich durfte mich mit Jungpferdeausbildung sowie mit Stuten, Wallachen und Hengsten verschiedener Ausbildungslevels beschäftigen und Erfahrungen sammeln. Ich bin sehr froh, daß ich diese Gelegenheit hatte, es war ein großes Glück für mich. Außerdem bekam ich die Möglichkeit, Reitunterricht zu erteilen; durch den zeitweiligen Mitbesitz eines Cuttinghengstes konnte ich Erfahrungen im Cutting sammeln. Nachdem ich 1998 meinen amerikanischen Mann kennengelernt hatte und wir im Jahre 2000 geheiratet hatten kauften wir im Jahr 2001 mein Pferd, einen 1993 geborenen Quarter Horse Fuchswallach. Obwohl er trotz guter Ausbildung seit 4 Jahren praktisch nicht geritten worden war und in entsprechendem körperlichen und mentalen Zustand war hatte ich das Gefühl, daß wir zusammen paßten. Natürlich stand fest, daß wir auf Turniere gehen würden. Der "Kleine" war in den Disziplinen Reining, Western Riding, Trail und Working Cow ausgebildet.
Was mir vorschwebte war eine Harmonie zwischen uns beiden, die aber leider nicht meinen Vorstellungen entsprechend existierte. Ich kam zu dem Schluß, daß meine Art und Weise zu reiten von meinem Pferd nicht als angenehm empfunden wurde. Warscheinlich auch aus diesem Grund fing ich an, mich für "Natural Horsemanship" im Allgemeinen zu interessieren. Im Sommer 2002 fuhr ich nach USA, wo in Montana der bekannte Horseman Buck Brannaman einen Kurs gab, den ich als Zuschauer verfolgte. Im folgenden Sommer besuchte ich dann wieder den gleichen Kurs, für den mir eine Bekannte ihr zweites Pferd, einen kleinen weißen Missouri Foxtrotter (inzwischen leider verstorben), mitbrachte und ich so mitreiten konnte.
Aufgrund eines Vortrags über Hufe begann ich mich für das Thema Barhuf zu interessieren. Ich beschloß daraufhin, meinem Pferd die Eisen abzunehmen und das Projekt Barhuf in Angriff zu nehmen. Gleichzeitig informierte ich mich über die verschiedenen Richtungen der Hufbarbeitung und suchte mir Gleichgesinnte zwecks Erfahrungsaustausch.
Reiten und der sonstige Umgang mit Pferden ist für mich Kommunikationswissenschaft.
So wie in Bezug auf den Umgang mit Pferden und deren Training und Haltung vor einigen Jahren das Umdenken begonnen hat ist es auch Zeit, daß beim Thema Pferdehuf neue Wege beschritten werden. Generell halte ich in beiden Bereichen einen Blick auf das Naturgegebene für notwendig, hilfreich und überaus interessant. Die Tatsache, daß bei Pferdekrankheiten Erkrankungen an Beinen und Hufen den Großteil ausmachen, heißt für mich, daß hier Veränderungen angezeigt sind. Mein Motto: Wenn ich mein Pferd seinen Bedürfnissen entsprechend halte, füttere und behandele ist die Warscheinlichkeit, daß es ausgeglichen, gesund und leistungsbereit ist, sehr hoch. Meine Erfahrungen bestätigen dies. Daher für das Pferd das Leben in einem bestmöglich konzipierten und gemanagten Offenstall der konventionellen Pferdehaltung vorzuziehen.
Bei allem, was ich mit meinem Pferd und um es herum veranstalte, versuche ich, die Dinge auch aus seiner Sicht zu betrachten. Ich höre zu- und hin weil das Pferd darauf angewiesen ist, denn es hat den Intellekt nicht, sich unsere Art der Verständigung anzueignen. Der Ausdruck von Zuneigung, wie er bei Menschen stattfindet (beispielsweise "Liebe geht durch den Magen", sich gegenseitig berühren und in den Arm nehmen), hat für Pferde eine untergeordnete bis keine Bedeutung. Sie füttern sich nicht gegenseitig und schmusen selten, um ein gegenseitiges Wohlgefühl oder Vertrauen zu schaffen. Daher macht es für mich mehr Sinn, dem Pferd meine Anwesenheit und mein Verhalten dadurch angenehm zu machen, indem ich in meiner Präsenz klar und eindeutig bin, in einer Weise, die das Pferd verstehen kann. Ihm zu ermöglichen, sich mir als seinem Führer anschließen zu können ist in meinen Augen das, was dem Pferd Vertrauen, Sicherheit und damit ein gutes Gefühl verschafft. Ich wiederum empfinde es als Belohnung für meine Bemühungen um klare Kommunikation wenn es mich für die Position des Führers als würdig erachtet. Zu guter Letzt: Ich hinterfrage alles. In Bezug auf Pferde, ihre Haltung und ihr Training sind mir in den vergangenen Jahren viele Dinge begegnet, die traditionell schon lange getan werden und vom Pferd mit seinen wirklichen Bedürfnissen Lichtjahre entfernt sind. Daher akzeptiere ich keine Aussage mehr einfach so, egal von wem sie stammt. Ich möchte allen Pferdebesitzern ans Herz legen, ihren Tieren zuliebe ebenso kritisch zu sein. - Ariane Reaves |
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