Das Wildpferd, ein Modell für die Hufbearbeitung?

  von Yvonne Welz von The Horse's Hoof

 

Das Wildpferdeleben ist oft schwierig aber immer in Harmonie mit der Natur. Wir können die Lektionen, die sie uns lehren, nie ignorieren.


Das Wildpferdemodell wird oft als Synonym für Natur- und Barhufpflege angesehen - aber ist das wirklich immer so? Wir untersuchen Kommentare und verschiedene Standpunkte einiger führender Experten in der Barhufbearbeitung von heute.

Der AANHCP Gründer und führende Vertreter des Natural Hoofcare Jaime Jackson setzte den originalen Standart des Wildpferdemodells. Jackson schreibt: "Es gibt bei vielen Pferdeenthusiasten und -profis eine Tendenz, den Wildpferdehuf als nachahmenswertes Modell abzulehnen. Dies ist verständlich. Was sollte ein "Wild"pferdehuf an einem "Haus"pferd zu suchen haben? Noch öfter höre ich "Was für Wildpferde gilt gilt nicht für Hauspferde weil diese nicht wild sind und kein natürliches Leben führen..."

"Diese Art der Logik ist bei näherem Hinsehen voll von Mißverständnissen. Erstens gibt es keinen physischen oder genetischen Unterschied zwischen Wild- und Hauspferdehufen, und zwar deshalb weil es zwischen Wild- und Hauspferden keinen physischen Unterschied gibt... Der Unterschied zwischen Wild- und Hauspferden besteht nicht in der Spezies an sich sondern in ihren jeweiligen Lebensumständen." (Horse Owner's Guide to Natural Hoof Care, 2002, Seite 43-44)

Jackson beschreibt als zentralen Punkt die Adaption des Wildpferdehufes an seine Umgebung. Jedes Wildpferd hat in seinem jeweiligen Lebensraum einzigartige Adaptionen entwickelt um überleben zu können. Die Mustanghufe des Great Basin Gebietes (überwiegend Nevada, die Westhälfte von Utah sowie Teile von Californien, Idaho, Oregon and Wyoming) repräsentieren einen Typ einzigartiger Anpassung - aber mit überlegener Stärke und Form, verglichen mit Wildpferden in anderen Gebieten, und so wurden diese Hufe Jacksons Hufbearbeitungsmodell. Bearbeitung und Lebensumstände sind einfach eine Art der Stimulation für die natürlichen Anpassungsmechanismen der Pferde.

 

Sollte die moderne Hufbearbeitung den Mustern nacheifern, die wir an Wildpferdehufen sehen?


Hufpflegespezialist K.C. La Pierre vertritt die Auffassung, daß der Wildpferdehuf nur der Ausgangspunkt ist. Er schreibt über die zahllosen Wildpferdestudien: "Die Frage war wie dies mit den Hufen unserer Hauspferde zusammenhängt, und was es mit dem Inneren des Hufs auf sich hatte. Würden diese Gemeinsamkeiten für unsere Hauspferde von Vorteil sein wenn sie gefördert würden? Die Forscher, ohne Zweifel die besten Experten des Naturhufes, glauben, daß der Huf des wildlebenden Pferdes das beste Modell ist um Hufbalance und zwangsläufig Gesundheit beim Hauspferd zu entwickeln. Ich habe mir nicht ausschließlich das wildlebende Pferd angesehen um eine Antwort darauf zu finden wie der Pferdehuf funktioniert. Ich denke, daß der Hauspferde"huf" auf dieselbe Weise funktioniert wie der des wildlebenden Pferdes." (The Chosen Road, Achieving High Performance through Applied Equine Podiatry, 2004, Seite 13)

Natural Hoof Care Practitioner Pete Ramey glaubt, daß wir gerade erst am Anfang stehen, das wahre Potential des Wildpferdemodells zu entdecken. Er beschreibt seine eigenen Wildpferdeerfahrungen wie folgt:

"Die Landschaft bestand aus soliden Felsen; überwiegend Tennisball-großer poröser, vulkanischer Fels, den man quasi wie eine Hufraspel benutzen konnte wenn man wollte. Es gab auch Basketball-große Felsen. Es gab kaum Hufspuren weil sich zwischen den Felsen kaum Erdboden befand. Es existierten einige wenige Matschstellen, entstanden durch die Schneeschmelze, aber auch darin befanden sich Felsstücke. Die Pferde versuchten nicht, auf den weichen Stellen zu laufen. Sie waren den ganzen Winter überwiegend auf Schnee gelaufen; wenn also die Hufe überhaupt einmal weich, empfindlich und schlechte geformt waren dann in dieser Jahreszeit. Ich denke die Pferde zu diesem Zeitpunkt zu sehen war essentiell und wichtig.

 

Kadaverhuf eines Wildpferdes, das in der Cerbat Herde nördlich von Kingman, Arizona, lebte.


"Ivy und ich beobachteten, viedeofilmten und fotografierten mindestens sechzig Pferde. Alle, vom Fohlen zum älteren Pferd, bewegten sich mühelos und effizient über dieses unglaublich harsche Terrain. Sie bewegten sich in versammeltem, verstärktem Trab, mit aufgestellten Schweifen und aufgerichteten Hälsen, über diesen Hindernisparcours, wogegen die besten Dressurpferde verblassen würden, und sahen uns an!!! Ich kenne kein Pferd mit dem ich es gewagt hätte in diesem Gelände zu reiten. Wir selber mußten aufpassen wohin wir unsere Füße setzten. Am dritten Tag fiel ein cm Schnee (als ob wir nicht schon genug Schwierigkeiten gehabt hätten). Wir konnten kaum laufen. Es war genau so wie der Versuch, in einem schleimigen, felsigen Flußbett zu laufen. Die Bewegungen der Pferde wurden durch den glitschigen Schneebelag auf den Felsen nicht beeinflußt. Sie konnten sich sogar viel besser fortbewegen als die Maultierhirsche und Pronghorns. Ein einsamer Coyote war das einzige Tier, das wir beobachteten, das den unverdorbenen, flüssigen Bewegungen der Pferde Konkurenz machen konnte. Über den gesamten Zeitraum unseres Aufenthaltes konnten wir kein Hinken, nicht einmal eine leichte Empfindlichkeit beim Tritt auf einen Felsen sehen, auch kein lahmes Pferd oder Ausbrüche oder Risse an ihren Hufen. Es war ein unglaublicher Anblick..."

"...Die Welt war schockiert und begeistert von unseren Fähigkeiten, Stein-zermahlende Barhufe zu schaffen, die Leistung der Pferde anzukurbeln und "unheilbare" Hufkrankheiten zu behandeln. Ich möchte diese Tatsachen nicht herabsetzen, aber ich realisiere jetzt, daß wir unser Standarts und Ziele immer noch zu niedrig ansetzen. Wir haben noch nicht einmal an der Spitze des Eisbergs gekratzt. Wir können unseren Pferden viel, viel mehr bieten und werden von "Super-Pferden" belohnt werden, die zu Leistungen, Ausdauer und Langlebigkeit fähig sind und damit unsere kühnsten Vorstellungen übertreffen. Was Wettbewerbsleistung betrifft: Der erste Spieler bei jeder Art von Wettbewerb, der etwas herausfindet, wird in unfairem Vorteil sein. Danach, wenn jeder dasselbe tut, wird das Pferd alle Vorteile genießen!!!" (Auszuag aus Petes Artikel, nachzulesen bei: http://www.hoofrehab.com/wild_horses.htm)

Pferdeveterinär Dr. Tom Teskey zieht in Betracht, daß das sich-selbst-trimmende Hauspferd sogar ein besseres Bearbeitungsmodell sein könnte als das Wildpferd. Hier ist ein Auszug aus einem Interview, das er kürzlich mit Easy Care führte: Natural Hoofcare verweist auf den Wildpferdehuf als nachzueiferndem Standard, aber ist der Wildpferdehuf immer das "gesündeste" Beispiel?

 

Dieser Kadaver-Vorderhuf eines wilden Mustangs wurde von Pete Ramey auf seiner Reise ins Wildpferdeland (Nevada) im Jahre 2005 gefundenen.
Dieses Pferd lebte auf stark abriebintensivem Terrain, das von Pete beschrieben wurde als "überwiegend Tennisball-großer poröser, vulkanischer Fels, den man quasi wie eine Hufraspel benutzen konnte wenn man wollte".


Für mich war während der letzten fünf Jahre von großem Interesse, wieviel FÄHIGER die Hufe und Körper meiner Pferde im Vergleich zu denen wildlebender Pferde waren. Ich verlange von meinen Pferden mehr als von wildlebenden Pferden gefordert wird, daher werden ihre Körper höher konditioniert, härter und fähiger. Natürlich leben meine Pferde auf hunderten von Acres (100 acres entsprechen 0,4 Quadratkilometer, Anm. d. Übers.) in idealer Umgebung, aber der Punkt ist, daß unsere Hauspferde athletischer als ihre wilden Cousins sein können. Ein anderes bemerkenswertes Beispiel sind die beeindruckenden Strecken, die von arabischen Pferden bei Distanzwettbewerben im amerikanischen Westen zurückgelegt werden (auf demselben Terrain, das auch Mustang bewohnen). 100 Meilen in sechzehn Stunden barhuf zurückzulegen ist üblich, auf Hufen, die aussehen als könnte ein Trim nicht schaden; die Pferde wirken als wären sie bereit für die nächsten 100 Meilen. Man beginnt diese Pferdeathleten zu schätzen wenn man Zeuge solcher "unglaublichen" Erfolge wird.

"Die gesündesten Beispiele für Hufe der Welt können dort gefunden werden WO IMMER Sie leben. Suchen und studieren Sie die Pferde in Ihrer Gegend, deren Hufe sich von selbst trimmen, und die gleichzeitig in ihrer Sportart erfolgreich sind. Es gibt sie, sie müssen sie nur suchen. Diese Pferde sind es, denen Sie nacheifern sollten. Machen Sie sich Notizen über ihren körperlichen Zustand, Hufcharakteristika, Ernährungsprogramm und Haltung und versuchen Sie, dies auf das Leben Ihrer Pferde zu übertragen. Es ist unproduktiv und nicht lohnend, spezifische Charakteristika, Maße, Fütterungen und den generellen Lebensstil für "Das Pferd" zu diktieren. Pferde können auf jedem Kontinent erfolgreich leben, sie tun es schon die ganze Zeit - suchen Sie sich die gesunden Exemplare in Ihrer Nachbarschaft und beobachten Sie gut." (Auszug aus dem Easy Care Artikel, nachzulesen unter http://www.easycareinc.com/education/articles/ teskey_interview.aspx)

Im Jahre 2000 verbrachte der Pferdeveterinär und Forscher Dr. Robert Bowker Zeit damit, die Hufe von in Süd-Nevada lebenden Mustangs zu studieren. Die Herde, die er studierte, wird von der National Mustang Association verwaltet, und die von ihr veranstaltete Fangaktion für das reguläre Impfen, Entwurmen und Kastrieren bot eine einzigartiege Gelegenheit, diese Hufe anzusehen und zu röntgen. Hier eine der Röntgenaufnahmen:

 

Röntgenbild des Vorderhufes eines stehenden aber sedierten Wildpferdes. Beachten Sie die Stärke von Sohle und Wänden sowie die hohe Position der Zehenknochen in der Hufkapsel - ebenso den massiven Trachtenbereich.


Bowker bemerkt, daß es kein allgemeines Modell eines Wildpferdehufs gibt - beispielsweise haben wildlebende Pferde in Wyoming Unterschiede in der Hufform im Vergleich zu wildlebenden Pferden in Nevada. Bowker scheibt: "Der Huf des wildlebenden Pferdes wird durch eine Umgebung geformt, ob das Pferd nun auf Sand, Gras oder harten Felsen läuft. Da diese Oberflächen in ihrer Struktur und Abriebqualität sehr unterschiedlich sind ist ihr Einfluß auf die Abnutzung des Hufs offenslichtlich unterschiedlich; steinige Umgebung, hart und abriebintensiv, nutzt Sohle und Hufwände in wesentlich höherem Maße ab als eine feuchte Graslandschaft. Größere Distanzen, die ein Pferd auf der Suche nach Futter zurücklegen muß, sind offenslichtlich ein wichtiger Faktor für das Maß der Hufabnutzung".

 

Kadaverhuf einer 18 Monate alten Wildpferdestute, die auf den Ebenen in Süd - Utah lebte.


"Diese Idee, obwohl nicht neu, wird oft vergessen, da viele, wenn nicht die meisten, Leute glauben, daß es nur eine einzige "Gußform" für den Huf des wildlebenden Pferdes gibt. Die Hufe des wildlebenden Pferdes passen sich ihrer Umwelt an und versuchen auf diesem Weg, Energie um- und abzuleiten und das Pferdegewicht zu unterstützen."

Sie können Dr. Bowkers gesamten Artikel, "Understanding the Feral Horse Foot" (den Wildpferdehuf verstehen), in der 1. Ausgabe von The Horse's Hoof lesen. Wir werden in den kommenden Ausgaben auch weiterhin Kommentare und Standpunkte über Wildpferdehufe und ihre Relevanz für unsere Hufbearbeitung vorstellen. Wir meinen, daß niemand bestreiten wird, daß das Studium des Wildpferdehufs weiterhin Priorität bleiben sollte!

 

Schnappschuß des ruhenden Hinterhufs eines lebenden, wilden New Forest Ponys in Großbritanien.


Vorderhuf eines lebenden Mustangs, der in der Pryor Mountain Herde and der Grenze von Wyoming und Montana lebt.



Home