Verbogene Wände


Die meisten Probleme, die wir an Hufen von Hauspferden sehen, haben mit Verbiegungen der Hufwand zu tun.

- Übergangsschmerz entsteht durch verbogene Wände, die dem Hufbein erlauben, sich zu senken und die Sohlenlederhaut zu quetschen

- Rehe ist eigentlich eine extrem starke Verbiegung der Hufwand

- Trachtenzwang wird durch eine nach vorne verbogene Zehenwand verursacht

- Hufrollensyndrom hat direkt mit einer nach vorne verbogenen Zehenwand zu tun, was eine Zehenfußung zur Folge hat

Außer bei akuter Rehe (Laminitis), bei der eine Entzündung der Blättchenschicht bedingt, daß sich die weiße Linie auseinanderzieht, sind verbogene Wände ein Resultat mechanischer Kräfte, die die Hufwand vom Hufbein weghebeln.


Was sind verbogene Wände?

Der Begriff "verbogene Wand" bezeichnet eine Trennung der Hufwand vom Hufbein. Oft verläuft die Wand in Bodennähe kurvig nach außen wie der Trichter einer Trompete. Sie können die kleinste Verbiegung mit der Hand fühlen, und Sie können generell eine Verbiegung sehen indem Sie auf Bodenniveau die Hufwand von allen Seiten anschauen.

Eine Verbiegung der Hufwand durch Rehe oder langzeitige mechanische Belastung (Eisen oder nach vorne herausgezogene Zehe) ist oft gerade an der Außenlinie und daher schwer zu erkennen. Der Winkel der Hufwand verändert sich abrupt, hoch oben - manchmal so nah am Kronrand, daß man nicht sehen kann wo die Stelle ist.

Eine Verbiegung sagt uns, daß das Auseinanderziehen oder gar die Trennung der weißen Linie passiert ist und die Hufwand an dieser Stelle nicht mehr am Hufbein befestigt ist. Verbiegung und Trennung der weißen Linie sind dasselbe. Wenn Sie sich die Sohle eines Hufs mit verbogenen Wänden ansehen bildet die weiße Linie neben der Verbiegung eine Rille zwischen Wand und Sohle. Oder anders herum: wo Sie die weiße Line verschmutzt oder rinnenförmig vorfinden befindet sich eine Verbiegung.

Wenn die weiße Linie auseinandergezogen ist - wie die beiden Seiten eines Klettbandes - können sich die beiden Seiten nicht mehr selbständig zusammenfügen. Eine neue Verbindung muß vom Kronrand (Haarlinie) herunterwachsen - wie unsere Fingernägel: wenn ein Stück abgerissen ist muß es von oben neu nachwachsen.

Die meisten Verbiegungen erscheinen im unteren Bereich der Hufwand, wo sie durch Bodenkontakt mechanisch vom Knochen weggehebelt wird. Gelegentlich formt ein Hinterhuf, der in der Zehe zu lang, in den Trachten aber kurz gewachsen ist, in der Mitte der Zehenwand eine Ausbeulung (Bullennase). An dieser Ausbeulung ist die weiße Linie gedehnt, weil die ungewöhnlichen mechanischen Kräfte dieser Hufform die Wand vom Knochen wegziehen.

Eine Rehe ist eine Verbiegung der Hufwand, die so gravierend ist, daß das Hufbein im Zehenbereich abwärts sackt (es rotiert im Hufgelenk, zwischen Kronbein P2 und Hufbein P3). Rehe kann eine Folge entweder von einer Entzündung der Blättchenschicht (laminae) oder mechanischen Kräften in einem überlang gewachsenen oder schlecht bearbeiteten Huf sein.

Verbogene Wände sind schmerzhaft. Die Hufwand ist eine Art Fingernagel und ist durch dasselbe starke aber sensible Material am Knochen befestigt wie unsere Fingernägel - Sie können die Streifen Ihrer eigenen Blättchenschicht durch Ihre Fingernägel sehen. Wandverbiegungen beim Pferd fühlen sich in etwa so an als wenn Ihre Nägel abgezogen werden. Laminitis (Entzündung der weißen Linie) ist so schmerzhaft für das Pferd, daß es die typische "Rehe-Haltung" annimmt. Auch eine mechanisch verursachte Wandverbiegung ist schmerzhaft genug um bei dem Pferd eine deutlich erkennbare Lahmheit zu verursachen. Manchmal denken Leute ihr Pferd sei "faul", und auf einmal ist wieder Leben in ihnen nachdem man an der Gesundung (Verfestigung) der weißen Linie gearbeitet hat.

Wildlebende Pferde haben selten Wandverbiegungen. Ein Pferd, das auf "Pferdeland" lebt, legt am Tag ca. 20 Meilen (30 km) auf rauhem, trockenen Untergrund zurück. Seine Füße nutzen sich so ab, daß eine "Mustang Roll" (Erklärung auf der Seite Bearbeitung) oder abgerundete Kante entsteht, die keine mechanische Verbiegung zuläßt. Unter ungewöhnlichen Bedingungen - eine Regensaison mit üppigem Gras - wachsen Wildpferdehufe dann zu lang, und es entstehen Verbiegungen. Die verbogene Wand bricht aus und gibt dem Huf, der aber trotzdem funktional bleibt, ein unebenes, rauhes Aussehen, bis die Umgebung wieder abtrocknet und "normal" beschaffen ist.



Verbogene Wände bei Hauspferden

Verbogene Wände existieren bei Hauspferden sehr häufig. Mechanische Verbiegungen kommen vor wenn ein Huf überlang oder unbalanciert ist. Wenn das Pferd in feuchtem Klima lebt verbiegt sich ein weich gewordener Huf leichter als ein harter aus trockenem Klima. Außerdem sehen wir Verbiegungen, die mit Rehe in Zusammenhang stehen, in demselben feuchten Klima, weil das Gras üppig und voll von Zuckern ist. Viele Pferde werden hier früher oder später Insulin-resistent. (Siehe www.safergrass.org. Weidengräser wurden auf hohen Zuckergehalt hin gezüchtet um die Milchproduktion von Milchkühen zu erhöhen. Exzellente Empfehlungen, wie man für Insulin-resistente Pferde sorgt).

Hufe von Pferden, die auf feuchtem, undrainiertem Untergrund leben, brauchen viel mehr regelmäßige Bearbeitung als die von Pferden, die in trockenen Gegenden leben. Hier im Nordosten der USA ist es ein ständiger Kampf, die Hufe vor Wandverbiegungen und Pferde vor dem Lahmgehen zu bewahren. Wir müssen hier alle 2 - 3 Wochen bearbeiten - im Frühling alle 10 Tage - und die "Mustang Roll" (siehe Seite Bearbeitung) zwischendurch erneuern. Nur ein paar Tage übermäßigen Wachstums ermöglichen das Entstehen einer neuen Verbiegung und können dem Pferd für Wochen Schmerzen bereiten. Die Kombination von "Pferde-unfreundlichem" Klima, zusammen mit Bewegungsarmut im Leben von Hauspferden, machen Hufpflege zu einer wichtigen Aufgabe im Rahmen des Unterhaltes eines Pferdes. Wir empfehlen inzwischen, das Pferd täglich bis zu einer halben Stunde auf Asphalt im Schritt zu bewegen, um genug Bodengegendruck zu gewährleisten. Dies stärkt die weiße Linie indem die Blutzirkulation im Huf erhöht wird.


Starke Verbiegungen an überlangen Hufen. Dies ist eine mechanische Verbiegung - die Wände sind weit über die Sohle hinausgewachsen, der Boden drückt von unten gegen die zu lange Hufwand und zwingt sie vom Hufbein weg.

An dem weißen Fuß können Sie dort einen Spalt sehen wo der Huf sich durch Ausbrechen selber kürzen will.

Dieses Pferd, das im Distanzsport geht, hat eine stabile und gesunde weiße Linie und war nicht einmal mit diesen starken Verbiegungen lahm.

Die Sohlenansicht des obigen braunen Fußes zeigt die übermäßige Länge. Ein Teil der Seitenwand ist weggebrochen. Die andere Seite ist sehr verbogen und wird bald wegbrechen. Die zu lange Wand muß auf Höhe des Sohlenrandes gekürzt werden, und die Eckstreben auf Höhe der lebenden Sohle. Außer daß dieser Huf viel zu lang ist ist er schön und gesund.
Ein typischer Hauspferdehuf mit einer "recht guten" Barhufbearbeitung. Verbiegung an der Seitenwand (weißer Pfeil). Kleine Rille wo die weiße Linie getrennt ist (schwarzer Pfeil).
Eine Art der Verbiegung wie sie Pferde mit chronischer Rehe haben. Dieses Pferd hatte ein Jahr zuvor einen Reheschub aufgrund einer Entzündung der weißen Linie, und niemand wußte wie mit Rehehufen umgegangen werden sollte. Die Zehe scheint gerade zu sein, aber es gibt einen Knick im Zehenwinkel, genau unter em Kronrand (Pfeil). Ich habe eine Linie gezogen, die der Wachstumsrichtung am Kronrand folgt, und die zeigt wo die neue Wand bei richtiger Bearbeitung wachsen wird.

Die Trachten sind auch sehr lang geworden, typisch bei einer chronischen Rehe.

Eine mechanische Verbiegung durch Überlänge. Die Zehe wird durch die Kombination langer Trachten mit Hufeisen nach vorne gezwungen.

Der Pfeil zeigt auf die Änderung im Winkel der Wand. Dies ist die Stelle wo meiner Ansicht nach Schmerzen durch Wandverbiegungen auftreten - wo der Ansatz der auseinandergezogenen weißen Linie ist.

Ein Kaltblut, das auf einer nassen Wiese lebt und keine Hufbearbeitung erfährt, hat seine Hufe quasi selbst bearbeitet. Die Wände haben sich verbogen, sind eingerissen und ausgebrochen. Das sieht schrecklich aus, funktioniert aber für das Pferd sehr gut.

Auf diese Art trimmen sich die Hufe von Pferden, die in Europas Marschen leben, selbst. Die Hufwände sind dick aber weich und brechen leicht ab.

Dieser Huf hat eine verbogene Zehe, so daß sie keine gerade Linie bildet. Ich habe markiert, wo sich die Zehe befinden sollte, dem oberen Bereich der Hufwand folgend, in dem sie noch fest mit dem Hufbein verbunden ist und uns den korrekten Winkel anzeigt. Wo sich die Zehe vor der Linie befindet wurde die Hufwand vom Hufbein weggehebelt, und die weiße Linie ist verbreitert; von unten würden Sie eine breite, schmutzige Linie im Zehenbereich sehen, und der Umriß des Hufs wäre eher oval als rund.

Dieses Pferd "hatte immer chronische Rehe" aufgrund stark fruktanhaltiger Gräser und "immer ovale Hufe". Der Besitzer bat um Hilfe weil das Pferd fühlig lief (siehe Seite Umstellung). Ich erklärte ihm, daß Hufrehe, verursacht durch Gras, die weiße Linie so schwächt, daß sich die Zehe leichter verbiegen kann. Die Fütterung umzustellen (siehe www.safergrass.org) wird ein wichtiger Bestandteil sein, diesen Huf zu heilen; zusätzlich muß die Zehe zurückgesetzt werden.

Hier sehen Sie einen anderen Huf nachdem eine ähnliche Verbiegung weggeraspelt wurde. Auch wurde die Kante berundet.
Hier sehen Sie einen Huf ohne Verbiegungen, der eine perfekt gerade Zehenwand zeigt. Die Kante wurde berundet (mustang roll).


Mechanische Verbiegung

Ein Querschnitt durch die Hufwand, die zeigt, wie eine mechanische Verbiegung sich entwickelt. An einem Huf mit flacher Sohle zwingt der Boden die Hufwand vom Hufbein weg. Die weiße Linie trennt sich, das Hufbein verliert an Aufhängung, und das Pferd "lahmt auf Kies oder Schotter".

Um diese wiederholten Verbiegungen zu verhindern berunden wir die untere Kante der Hufwand mit einer "mustang roll".

Jedoch wird sich die Wand jedesmal, wenn sie in Kontakt mit dem Untergrund kommt, wieder verbiegen, und man verliert mehre Wochen neuen Wachstums der weißen Linie in gesunder Verbindung zum Hufbein.

Wir müssen die "mustang roll" wöchentlich erneuern bis die weiße Linie wieder verdichtet und die Verbiegung herausgewachsen ist.

Für den sofortigen Komfort eines Huf mit verbogenen Wänden ist die oberste Priorität, den Zug auf die weiße Linie (siehe unten) zu eliminieren, so daß es nicht mehr schmerzhaft ist und weitere Trennung vermieden wird. Obwohl das Pferd eine Weile "auf der Sohle laufen" wird sehen wir immer wieder, daß Schmerzen durch Trennung der weißen Linie Pferde mehr quälen als schmerzende Sohlen. Wir können für 2 oder 3 Tage schützende Sohlenpolster verwenden wenn nötig; danach berichten Besitzer im Allgemeinen, daß ihre Pferde "bockend über die Wiese rennen".

Bei einem Pferd, das sich in der Umstellung befindet, und bei dem sich die weiße Linie endlich wieder schließt, können drei bemerkenswerte Dinge passieren:

1) Ziemlich plötzlich, von einer Bearbeitung zur nächsten, wird sich die Hufsohle mehr wölben weil das Hufbein sich höher in der Hufkapsel positioniert.

2) Mit Hufen, die sich endlich gut anfühlen, ist das Pferd lebendiger.

3) Das Pferd ist in der Lage auf Schotter, Steinen, Asphalt oder gefrorenem Untergrund zu gehen ohne dabei Schmerzen zu haben.



Die weiße Linie-Strategie

Pete Ramey entwickelte die "weiße Linie Strategie" als einen Weg, um Leihpferden eine möglichst schnelle Rückkehr zur Arbeit zu ermöglichen, nachdem ihnen die Eisen abgenommen wurden. Der Hauptgedanke dabei ist, verbogene Teile der Hufwand so zu bearbeiten, daß sie keinen Bodenkontakt mehr haben. Dadurch kann die weiße Linie vom Kronrand wieder hinunterwachsen, und eine erneute Verbiegung der Wand wird vermieden. In dieser Übergangssituation bringt er die "mustang roll" bis an den Rand der Sohle, anstatt sie an der "water line" (unpigmentierter innliegener Teil der Hufwand) enden zu lassen. Wenn die weiße Linie dichter wird (sie erscheint nicht länger als Rille oder sieht nicht mehr schmutzig aus) kann man zu einer normalen "mustang roll" zurückkehren, die an der "water line" endet.

Um eine Wandverbiegung zu korrigieren, bringen Sie die "mustang roll" bis zur Kante der Sohle. Erneuern Sie sie wöchentlich bis die weiße Linie nicht mehr auseinandergezogen ist.

Wenn die weiße Linie wieder dicht und schmal ist nutzen Sie die Standart - "mustang roll", die bis zur "water line" reicht.

Wenn es sich um einen Vorderhuf mit einer nach vorne herausgezogenen Zehe handelt, können Sie auch einen "toe rocker" (Erklärung siehe Seite Abrollpunkt) anbringen. Dieser hilft, die Zehe, die nach vorne heraus zu lang ist, zurückzusetzen.

Benutzen sie den "toe rocker" nicht bei einer Sohle, die sich nach unten ausbeult. Dies ist eine Hufrehe-Situation - das Hufbein ist rotiert und könnte durch die Sohle brechen.

Viele Leute schreiben mir, weil sie über die flachen, "platten" Vorderhufe ihrer Pferde besorgt sind. Ja, viele Vorderhufe sind weniger gewölbt als sie sein sollten, da Schmiede die Zehe kürzen um den Hufe aufrechter zu stellen. Wenn Pete Rameys Trim, zu sehen auf meiner Seite Bearbeitung, über mehrer Monate hinweg angewandt wird wird die Zehe länger und die Sohle dicker werden. Jedoch sind normale Vorderhufe weniger gewölbt als Hinterhufe. Das Hufbein hat eine flachere Wölbung damit es eine harte Huflandung überstehen kann ohne zu brechen. Bei einem Kaltblutpferd sieht eine normale Sohle fast flach aus, wenn man bedenkt wie breit der Huf ist. Eine wirklich flache Sohle (eines Rehehufs) sieht beängstigend aus -- der Huf sieht wie ein Holzblock aus. Sie werden den Unterschied sehen!

Hinterhuf-Sohlen zeigen mehr Wölbung als die der Vorderhufe weil die Unterseite des Hufbeins gewölbter ist. Die Hinterbeine und -füße sind der "Motor" des Pferdes, und die deutlich konkaveren Sohlen ermöglichen guten Halt auf dem Untergrund, wie bei einem Traktor.

Dies ist die Sohle eines Vorderhufs, der außer eines kurzzeitigen Beschlags immer barhuf war. Die Sohle zeigt eine gute Wölbung. Ich sah dieses Pferd über spitzen Schotter laufen als wäre es Gras. Beachten Sie die weiße "water line". Der Huf lief sich gleichmäßig ab und mußte kaum bearbeitet werden.


"White line disease" (Krankheit der weißen Linie)

Meiner Meinung nach ist das, was die Leute "white line disease" nennen, zum größen Teil keine Krankheit sondern nur eine auseinandergezogene weiße Linie, die komisch aussehen und Sie erschrecken kann wenn Sie nicht wissen um was es sich handelt. Das Pferd wird nicht gesund auf den Hufen sein - eine auseinandergezogene weiße Linie ist schmerzhaft da es sich gleichzeitig um eine Verbiegung der Hufwand handelt. Nachdem ich mit hunderten von Pferden im Nordosten der USA gearbeitet habe kann ich sagen, daß ich noch keinen wahren Fall von "white line disease" kennengelernt habe und/oder behandeln mußte.

Bei einer echten "white line disease" etablieren sich Pilze und/oder Bakterien in der auseinandergezogenen weißen Linie, wandern unter der Hufwand weit hinauf zum Kronrand und zerstören das Gewebe. Wie ich es verstehe klingt ein Huf, der von "white line disease" befallen ist, hohl wenn man mit einem Werkzeug daran klopft. Die beste Behandlungsmethode, von der ich gehört habe, ist, den Huf mehrere Male in CleanTrax einzuweichen (Siehe die Abteilung Pilze auf der Seite Mehr Themen). Manchmal kann es nötig sein, Teile der Hufwand zu entfernen um in den befallenen Bereichen eine bessere Luftzirkulation zu ermöglichen. Diese Art der Behandlung liegt außerhalb des Bereichs dieser Webseite. Ich empfehle, dazu einen erfahreneren Barhufbearbeiter oder Schmied zu konsultieren.


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